Einst entdeckte ich in einer Kirchenanlage in einem Julimonat einen blau blühenden Strauch, der viele Insekten anlockte. Darunter waren auch etliche Honigbienen. Da ich stets auf der Suche bin, für meine Bienen Trachtlücken zu füllen, kam mir dieser Strauch begehrenswert vor.
Es handelte sich um einen Mönchspfefferstrauch (Vitex Agnus Castus)
Schon bald war er in meinem Tessiner Gelände verwurzelt und kam schon im Jahr darnach zur Blüte. Nach einem guten Rückschnitt hat er sich diesen Sommer (2018) zu einem stattlichen Blütenbusch entwickelt. Diesmal wollte ich meine Bienen darauf beobachten, aber was musste ich erblicken? Es stellten sich nur Wollbienen (anthidium florentinum) ein! Schon bald erkannte ich, dass es sich mehrheitlich um weibliche kleinere Wollbienen handelte und einem grösseren Typ gleicher Art, dem Wollbienenmännchen. Erstaunliches konnte ich nun beobachten: Alle labten sich, wohlgemerkt den ganzen Tag, an diesen Lippenblüten, es schien der Nektar nie auszugehen! Blütenstaub fiel nur gering an. Das Wollbienenmännchen überwachte den ganzen Busch. Alle Eindringlinge wurden verdrängt, jede Honigbiene, Hummel, Schmetterling und auch mein Kopf wurde arg nervös umflogen. Was ging hier vor? Wieso verteidigte das Männchen diese Nektarquelle fortwährend für sich? Bald fand ich heraus, es paarte sich auf gezielte, verblüffende Art. Die Weibchen waren nicht immer willig, sie wehrten öfters ab. War aber eines geneigt, wurde es zuerst im Nacken gepackt und nicht mehr aus den Fängen gelassen, bis die Vereinigung stattgefunden hat. Das Erstaunliche war, dass dieser Vorgang schon bald wiederholt werden konnte, wenn es dem Männchen gelang, eine andere willige weibliche Wollbiene zu ergattern. Zwischenzeitlich stärkte auch das Männchen sich am Nektar. Sein Verhalten wird als polylektisch bezeichnet.
Meine Überlegung geht dahin, dass der Nektar eine zähe Konsistenz haben muss, die nur mit Ablecken von den Insekten aufgelöst werden kann und er so den ganzen Tag herhält. Man wird es mir kaum glauben, dass ich diesen Mönchspfeffer oft im Tag mit Kamera aufsuchte und immer das gleiche Szenario beobachten konnte. Ein einziges aktives Wollbienenmännchen hielt seinen Harem in Schach, andere Männchen hatten keine Chance, sie wurden vertrieben. In etwa 15-20 Minuten konnte ich drei Paarungen miterleben. Offenbar gibt der Nektar des Mönchspfeffers einen Stimulanzstoff ab, denn anders konnte ich mir diese Ausdauer und die Potenz des Wollbienenmännchens nicht erklären. Erst als die Abendsonne nicht mehr auf den Busch schien, stellten sich auch andere Insekten auf diesen Blüten ein.
Vermutlich hatten einst auch Mönche diese auffällige Beobachtung gemacht und ihre Rückschlüsse gezogen. Denn der Mönchspfeffer wurde in den Klostergärten kultiviert, von den Mönchen zu Heilzwecken erforscht und zugleich nach ihnen benannt. Vermutlich basierte ihr Wissen schon auf den Überlieferungen der Antike, wo man die Pflanze bereits zu Heilzwecken nutzte.
Heute gibt es wissenschaftlich dokumentierte Untersuchungen zum Mönchspfeffer. Die extrahierten Wirkstoffe wurden getestet, erprobt und für verschiedene Indikationen zugelassen und sind sogar kassenpflichtig.
Nachtrag
Der bekannte deutsche Insektenforscher und Kenner Dr. Paul Westrich, Kusterdingen, schrieb mir: “Nicht alle, aber eine ganze Reihe von Anthidium-Arten haben beim Männchen an den Seiten und am Ende der letzten Hinterleibssegmente dornige Fortsätze, die sich auch für die Bestimmung eignen, weil sie bei jeder Art etwas anders aussehen. Diese Fortsetze wurden schon als Waffen interpretiert, weil bestimmte Anthidium-Männchen, darunter auch Anthidium Florentinum, Blütenstände als Revier besetzen und dieses gegen andere Bienenarten (Männchen der gleichen Art, Hummeln, Honigbienen) verteidigen, indem sie diese im Flug durch einen Rammstoss vertreiben. Dabei kann es vor allem bei Honigbienen zur Verletzung der Flügel kommen. Daher die Deutung als “Waffe”. Tatsächlich dürfte dies aber eine Überinterpretation sein. Bei anderen Arten die dieses Territorialverhalten zeigen, kommt es nicht zu Verletzungen und die Fortsetze sind auch nicht immer spitz, sondern manchmal eher stumpf und quadratisch. Der Sinn dieses Verhaltens ist, das Territorium des Blütenstandes für die Weibchen attraktiv zu halten, damit eine (viele) Paarung(en) für den Revierinhaber möglich ist. Tatsächlich finden aber viele überfallartige Paarungen statt. Wir wissen nicht, ob dabei jedesmal Sperma übertragen wird, weil dies zu untersuchen methodisch besonders problematisch ist. Beobachten lässt sich dieses Verhalten an den Blütenständen der Lieblingspflanzen der Anthidium, bei Anthidium Florentinum, oft an Blutweiderich, bei Ihnen sicher auch am Mönchspfeffer.”
Vom Mönchspfeffer werden die Blätter, die Blüten und die Früchte verwertet und daraus unterschiedliche Wirkstoffe gewonnen. Die Pflanze ist ein Lippenblütler und gehört zu den Eisenkrautgewächsen. Sie kann bis zu 4 Meter hoch werden und ähnelt im Laub optisch dem Hanf und in der Blüte dem Schmetterlingsflieder (buddeleya davidii). Die Blütezeit kann sich über den Juli hinaus bis in den August ausdehnen. Im Volksmund wird der Mönchspfeffer auch Keuschbaum, Keuschlamm oder Liebfrauenbettstroh genannt. Feuchtgebiete wie Uferzonen von Flüssen und Gewässern und leichte Moorgebiete gehören zu seinen bevorzugten Standorten, aber erstaunlicherweise gedeiht der Mönchspfeffer bei mir an einer heissen, trockenen Mauer mit magerem, leicht sauren Boden. Seine Verbreitung reicht vom ganzen Mittelmeerraum bis hin nach Pakistan.
Medizinische, naturheiltherapeutische Anwendungen
Zu ihrem Nutzen hegten die Mönche diesen Wunderstrauch in ihren Kräutergärten. Hormonähnliche Wirkstoffe der Pflanze können auf die Hypophyse des Menschen einen Einfluss nehmen und die Libido bei beiden Geschlechtern herabsetzen. Dies verhalf den Ordensleuten dazumal, das Zölibat leichter einzuhalten.
Die extrahierbaren Wirkstoffe des Mönchspfeffers therapieren heute laut moenchspfeffer.info Kinderlosigkeit, das Prämenstruelle Syndrom, Menstruationsbeschwerden, Unwohlsein in den Wechseljahren, ungenügenden Muttermilchfluss, hormonell bedingte Akne und Pickel. In homöopathischer Dosierung wirkt Mönchspfeffer sogar der sexuellen Unlust entgegen und steigert die männliche Sexualität. Allein die Dosierung und Anwendungsdauer machen es aus, ob die Bildung der Geschlechtshormone eine Steigerung oder eine Senkung erfährt. So kommt der Mönchspfeffer in den neuesten Therapien auch bei Prostata-Tumoren zum Einsatz.
Ferner wirkt die Pflanze bei neurologisch bedingten Erkrankungen wie dem Rest-Legs-Syndrom oder Parkinson.
Immer wieder lernt der Mensch durch Beobachtung der Natur, einen Nutzen für sich zu gewinnen.