Drohnenmütterchen – Drohnenbrütig

Die Natur hat alles durchdacht.

Am 10. Mai 2025 erhielt ich von der Rettungs- und Flugwacht Zürich einen Schwarm von annähernd vier Kilogramm Bienenmasse. Meine Freude war gross und die Einlogierung, von oben in die Beute hinein, verlief gut. Eine Woche später machte ich eine Volkskontrolle in Bezug auf Futterreserven und Brutanlage. Der Flugbetrieb verlief rege, hin und wieder flogen auch Bienen mit Pollenhöschen ein. Ich war erstaunt, noch kein Brutnest zu erkennen, und dann entdeckte ich doch mehrere Zellen mit liegenden Eiern (Stiften). Einen Pollenspeicher hatten sie bereits angelegt und Nektar glänzte in den ersten ausgebauten Waben. Ich nahm mir vor, in Kürze wieder eine Kontrolle zu machen. Irgendwie gefiel mir der Gesamteindruck nicht. Dass ich die Königin nicht fand, war bei der Fülle der Bienen nicht überraschend. Eine gezeichnete Königin gab es sicher nicht, die hätte ich finden müssen.

Nach 17 Tagen, bei der dritten Kontrolle seit der Einlogierung, durchfuhr mich ein unerwünschter Schreck! Drei Waben waren mittig und beidseitig von Buckelbrut ausgefüllt. Jetzt war klar, das Volk war weisellos gewesen, irgendwo und irgendwann war die Königin abhandengekommen. Nie im Traum hätte ich einen Schwarm ohne Königin erwartet! Bieneninspektor (Max Meinherz) erklärte mir, dass das gar nicht so selten vorkomme. Da gebe es nur eine Methode, man wische in einiger Entfernung das Volk ab und löse es damit auf. Meistens entstünden dann gleich mehrere Afterköniginnen, die fruchtbar würden, sie könnten den Rückflug zur Beute nicht leisten, da sie durch die scheinbare Fruchtbarkeit zu schwer geworden, um fliegen zu können. Durch die im Stock fehlenden Pheromone der alten Königin werde das ganze Volk der weiblichen Arbeiterinnen nicht mehr unfruchtbar gehalten, sodass es zu dieser abnormen Entwicklung von Afterköniginnen komme. Da diese im Stock keine Paarung eingehen könnten, würden sie nur unbefruchtete Eier legen. Unbefruchtete Bieneneier würden sich immer zu Drohnen entwickeln, also zum männlichen Geschlecht. Nach dem Abwischen würden sich die restlichen Arbeiterinnen bei Nachbarvölkern einschmeicheln.

Das hätte ich liebend gern so gemacht, aber dieses Volk war auf einem Einzelstand platziert. Es gab keine anderen Völker unmittelbar in der Nähe. Um eine Königin zuzusetzen, war es bereits zu spät, sie hätten sie abgetötet. Der Bienenschwarm hatte sich auf ihre Drohnenmütterchen / Afterköniginnen schon eingespielt. Ich überliess nun die Weiterentwicklung ihrem natürlichen Lauf, um daraus zu lernen, was die Natur mir für eine Lösung vorlebt.

Schon nach einem Monat sah man, dass die Flugfrequenz am Flugloch geringer wurde und sich in den Mittagsstunen die ersten Drohnen auf die Paarungsflüge begaben. Schaute ich ins Volk hinein, war merkwürdigerweise Ruhe im Staat. Allerdings bemerkte ich, der Futtervorrat fing an zu schrumpfen. Drohnen haben Hunger und wollen gefüttert sein. Ich war aber nicht gewillt aufzufüttern. Mich interessierte der Verlauf des Untergangs, wie es sich naturgemäss abspielt. Nach sechs Wochen hatten die Schwarmbienen eigentlich ihr Alter zum Ableben erreicht, aber sie waren noch immer zahlreich aktiv vorhanden. Die Brutflächen schrumpften und die leeren Zellen, aus denen die Drohnen geschlüpft waren, wurden nicht mehr bestiftet. Das bedeutete einen vom Volk gewollten Brutstop. Wobei ich nicht erkennen konnte, ob die Arbeiterinnen das Gelege auffrassen oder ausräumten. Eventuell haben aber die Afterköniginnen keine Kapazität mehr, um weitere Eier zu legen, denn ihre Energie verpufft sich schneller, da sie oft gleich mehrere Eier in eine Zelle legen. Offensichtlich war das Volk dabei sich selbst aufzulösen. In einem intakten Bienenvolk diktieren die Arbeiterinnen die Grösse der Brutflächen, sie haben auch den Überblick über das Trachtangebot und die Jahreszeit. Leider gelang es mir nicht, eine vergrösserte Arbeitsbiene als Drohnenmütterchen zu erkennen.

Ich ziehe Bilanz:

Nach neun Wochen sassen die immer noch vielen überlebenden Bienen ohne Futtervorrat auf drei Wabengassen verteilt. Nur wenige Drohnen weilten noch unter ihnen. Auf den anderen Waben machten sich bereits die Wachsmotten mit ihrem Vernichtungswerk an die Arbeit. Einen weiteren ekeligen Untergang wollte ich nicht mehr abwarten und fegte nun das Restvölkchen auf einer abgelegenen Wiese ab. Am alten Standort befand sich eine leere Apidea-Jungvolkbeute mit etwas Futterteig. In diese zogen die Rückkehrer ungeniert ein. Die alte Beute war zuvor zur Reinigung weggeräumt worden.

Als Imker kann man immer wieder eine Überraschung erleben!

Was geschah denn da jetzt? Beim Einlogieren eines frisch erworbenen Kunstschwarmes am gleichen Stand flog eine grössere Anzahl Bienen auf, um sich zu orientieren. Erstaunlicherweise bevorzugte eine Reihe dieser Flugbienen die Apidea-Beute als neue Heimat. Andere wählten den Eingang zu ihrer vorbestimmten Langstrothbeute mit der gekäfigten Königin und dem Hauptanteil des Kunstschwarmes. Ich liess es geschehen, denn ich hatte eine zusätzliche Königin erworben und dem Drohnenmütterchen – Restvolk bereits beigehängt.

Die Bienen durften selbst entscheiden, wo sie sich einquartieren wollten. Vereinen kann ich sie immer noch, sollte ein Volk bis zum Winter nicht stark genug werden. Varroamilben sind vorläufig kein Thema.

In dieser trachtarmen Zeit darf die Fütterungshilfe des Imkers nicht abreissen, damit die jeweiligen Königinnen ihre Gelege möglichst gross anlegen können. Wo Nahrung ist, ist auch Ausbreitung und Vermehrung gewährleistet!

Eine erste Kontrolle danach war beglückend. Die Stimmung in den Völkern war gut, Futter wurde abgenommen und die Königin war befreit. Nun kann alles wieder seinen gewohnten Gang nehmen.

Afterköniginnen, ein Rettungsanker!

            Afterköniginnen, auch liebevoll Drohenmütterchen genannt, können im Herbst noch Drohnen erzeugen, um den Fortbestand der Völker sicher zu stellen, deren Königin untauglich geworden ist und die eine neue Königin nachziehen müssen. Forschungsberichten zufolge sind gezeugte Drohnen von Afterköniginnen etwas kleiner von Wuchs als die Frühjahrsdrohnen, aber genauso zeugungsfähig, und kommen im Paarungszyklus der Drohnensammelplätze öfters vor, als man denkt. Die Afterköniginnen haben auf diese Weise eine Bedeutung zur Rettung derjenigen Völker, die noch im Herbst für ihren Fortbestand gezwungen sind eine neue Königin nachzuziehen. Vielleicht überzeugt diese Tatsache manchen Imker, das Schlüpfen und Überleben der ersten Staffel Drohnen den Drohnenmütterchen zu genehmigen, bis er die ersten Drohnenflüge erkennen kann.

Ich hatte einst ein Bienenvolk, das Ende September noch umweiselte. Hier waren am bekannten Drohnensammelplatz sicher auch Drohen von Afterköniginnen dabei, die zu einer Gen-Vielfalt beitrugen. Es überlebte den Winter gestärkt und gedieh im Frühjahr zu einem stattlichen Honigertragsvolk!