Das Leinkraut

Ein schöner Blickfang über den Gartenzaun

Alle wilden Pfahlwurzel bildende Pflanzen vermochten trotz des heissen Sommers 2018 tapfer ihren Zyklus durchzusetzen. Die Wiesen wurden braun, aber zum Beispiel der Löwenzahn, der Wegerich, die Lichtnelke, der Kerbel, die wilde Möhre, ja sogar das liebliche Leinkraut hielten ungeachtet der Trockenheit ihre Blüten feil oder blieben in ihrem Blattwerk grün.

Unlängst wurde ich plötzlich hinter einem hölzernen Gartenzaun gewahr, dass es auf einer grösseren Gartenfläche goldgelb leuchtete. Ich stand da und staunte. Vor meinen Augen trieb sich ein reges, vielseitiges Insektengetümmel  auf dem lieblich anzuschauenden Leinkraut ab..

 

Bestäuberzirkus

 

Während des Fotografierens habe ich mich der Beobachtung hingegeben. Nie hätte ich auf diesen löwenmaulförmigen Blüten Bienen erwartet, aber in Ermangelung derzeitiger Trachten, gelang es den meisten klugen Bienen von oben her in die Blüten mühelos einzudringen. Sie vermochten dann den dunkleren, gelb gefärbten Unterlippenwulst mit aller Körper-und Schwerkraft herunterzudrücken, sodass sie leicht an den Nektar gelangten. Der Bienenunterbauch streifte dabei über die Staubgefässe, die in der Blütenkrone angebracht sind, leicht hinweg.  Andere Bienen taten es in gewohnter Weise, klammerten sich an der wulstigen Unterlippe von vorne fest, stemmten sich vorwärts und drangen ins Innere der Blüten vor. Auf diese Art blieb ihnen der Blütenstaub am Rücken hängen. Die starke Erdhummel hingegen biss grundsätzlich alle Sporen auf und tat sich durch diesen Trick gütlich. Es konnte nur einen Grund ihr Verhalten erklären, sie war zu gross, um überhaupt in die Blüten von vorne her einzutauchen.-Dann stellten sich noch mehrere Ackerhummeln ein, denen es gar nicht schwer fiel, den von der Natur vorbestimmten Weg der Bestäubung einzuhalten. Man merkte dieser gelb getönten Hummel an, dass diese Blüte für sie vorgesehen ist und sie hier mit der Konkurrenz zu teilen hatte. Bei ihrer Geschwindigkeit und Technik hatte sie aber sichtlich den Sammlervorteil.

 

Botanik

 

Das Leinkraut ist ein anspruchloses Gewächs und gedeiht auf mageren, steinigen Böden.

Die Blätter sind lanzettenförmig und die gelben Blüten (Lippenblütengewächs) sind zwittrig.

Die Blütenkrone mit den Staubgefässen ist hell-schwefelgelb und bildet mit einem kräftigen Unterlippenwulst  und einem orangenen  Fleck die kleine entzückende Blüte. Der 10-30 mm lange Sporn zeigt eine schwache Biegung auf. Wie es Wildkräutern eigen ist, hat das Leinkraut eine lange Blühdauer und vermehrt sich stark durch viele Samen von Mai bis Oktober.  Es zählt auch zu den Heilkräutern, ist nicht besonders schmackhaft und hilft bei Hämorriden und gegen Obstipation (Verstopfung). So kann es auch geschehen, dass an Strassenrändern ein blühendes Leinkraut gedeiht. Unsere Generation nannten sie auch Trümmerblume, weil sie schon bald auf dem Schutt der zerbombten Häuser gedieh. Früher hatte man die Stängel des Krautes zu Linnen versponnen und verwoben. Leinkraut ist und bleibt ein unverwüstliches, liebliches Ackerkraut, das sich nun auch in Städten und Gärten seinen Lebensraum sucht und ihn findet.