Bergung eines Notschwarms

Bergung eines Schwarmes im September

Entdeckt man einen Schwarm im September, so kann man sich auf seine Eigenwilligkeit gefasst machen, denn auf der Nordseite des Äquators ist das kein natürlicher Vermehrungstrieb, es ist ein Notschwarm, der nicht auf einem neuen Wabenbau im Geäst sitzt, weil er keine geeignete Höhle gefunden hat, sondern er fühlt sich durch irgendeinen Grund veranlasst, aus seinem Bau zu fliehen.

So geschah es am 14. September 2024 im Tessin. Nichtsahnend streifte ich durch mein Gelände, als ich ein dunkles Etwas in der Ferne in einem meiner Birnenbäume entdeckte. Es war reiner Zufall, dass mein Blick diese Richtung einschlug. Beim Näherkommen gewahrte ich tatsächlich einen wunderschönen Schwarm in einer dichten Herztraube hängend, der leicht einzufangen wäre. Er wurde von aufdringlichen Hornissen bedrängt, aber sie trauten sich nicht an die Bienenmasse heran. Der Flugverkehr war nicht sonderlich gross und es sah so aus, als ob der Schwarm noch nicht lange dort hing. Zuerst kontrollierte ich meinen Bienenstand, auf die Richtigkeit aller Völker. Es war mein Lieblingsvolk, ein Jungvolk, dass sogar noch so viel Honig produziert hatte, dass ich davon Futterwaben in andere Völker verteilen wollte.

Nun hatte ich eine Woche vorher mit Formicpro-Ameisensäure behandelt. Wegen der Varroafallquote legte ich das Kontrollbrett ein und weil viele Hornissen so aufdringlich dieses Volk bedrängten – Schuld war wohl auch der Honigduft – liess ich das Flugloch eingeengt.

Kapitalfehler!

Das war ein Kapitalfehler. Die Konzentration der Ameisensäure war zu intensiv und die ganze Brut starb ab. Während meiner wöchentlichen Abwesenheit kam es noch zu einer stillen Räuberei. Jedenfalls war der Honig auch weg. Die ganze Beute war leergeflogen. Die tote Brut bot einen erschütternden Anblick. Mancher frisch schlüpfender Bienenkopf schaute aus der Zellöffnung heraus.

Vorbereitung am selben Platz mit einer neuen Beute

Beim Einfangen des schönen Schwarmes verlief alles glatt. Ich besprühte die Traube, räucherte sie ein und schüttelte sie in den Fangkasten. Eine Stunde liess ich die verbliebenen Bienen noch einfliegen und da es schon Abend war, schüttelte ich sie sanft in die Beute. Alsbald sah man die Pioniere ein und ausfliegen und alles schien geglückt.

Ich war froh, mein Volk gerettet zu haben.

Andern Tages

Am nächsten Morgen schritt ich gleich hin zur Kontrolle, ob alles gut mit dem Volk lief.

Nichts tat sich mehr, ein paar ehemalige Räuber zogen ein und aus, drinnen waren keine Bewohner mehr anzutreffen. Nun hatte ich verloren, schoss mir der Gedanke durch den Kopf. Sie hatten wahrscheinlich schon eine neue Herberge vorher im Visier gehabt. Herbstschwärme sind eigenwillig, das wusste ich schon. Sicherheitshalber suchte ich mit wenig Hoffnung auf Erfolg die Gegend nochmals ab. Oh, wie herrlich, sie hingen wieder in der Traube, aber im anderen Birnbaum, höher und verästelter, viel schlechter zugängig. Ich rückte nochmals aus, nicht ohne vorher an einem anderen Stand, auch im selben Grundstück eine neue Beute herzurichten. Diesmal würde es mehrere Anläufe geben, denn der Imkeranzug mit seinem breiten Kopfschutz liess mich gar nicht richtig in das Astwerk eindringen, noch konnte ich ohne Leiter keinen Zugang finden, schon gar nicht den Fangkasten drunter halten. Ich versuchte es mit dem Aufhängen von zwei Honigwaben. Zuerst schien es, als laufen alle darauf zu. Da es schon wieder Abend war, hoffte ich, sie suchten dort ein wenig Geborgenheit. Andern Tags war ich enttäuscht, dieser Versuch ist fehlgeschlagen. Was sollte ich machen. In meinem Alter kann man nichts riskieren. Dicke Äste konnte ich auch nicht absägen. Ich dachte an Aufgeben und sie sich dort selbst zu überlassen, so ein eigenwilliges Volk käme vielleicht gut in der Wildnis davon.

Da kam mir noch ein guter Einfall

Ich hatte einmal einen Büropapierkorb mit feiner Gitterkonstruktion gekauft, damit konnte ich es doch noch versuchen. Es galt ihn erst einmal zu finden und hervorzukramen. Immer ist doch alles bei den Imkereiartikeln vollgestellt. Alle Zutaten: Leiter, Sprühflasche, Bienenbürste, Fangkorb und Deckel schleppte ich herbei. Auf den Smoker verzichtete ich. Man hat schliesslich nur zwei Hände. Hatte ich mich endlich installiert, drückten mir die Äste den Imkerhut so über die Augen, dass ich nichts mehr sah. Ich musste von innen die Naht zwischen die Zähne nehmen, so fixiert, konnte er mir nicht mehr die Sicht stehlen. Die Sprühflasche klemmte ich nach Gebrauch in das Astwerk, der Bienenbesen war zu sperrig und fiel mir gleich runter, es gelang mir aber den Fangeimer gut unter die Traube stülpen und mit der anderen Hand wischte ich lösend die Bienentraube vom Ast ab und liess sie in den Eimer fallen. Schnell runter von der Leiter und Deckel drauf. Ich hatte nur die Hälfte erwischt. Mit der eilte ich zur hergerichteten Beute und tat die Bienenmasse hinein. Den Eingang hielt ich noch verschlossen. Ich wiederholte die Prozedur und hatte schliesslich 2/3 des Volkes einlogiert. Ich musste nach all den Strapazen erst einmal Mittagessen und mein Schläfchen halten. Ich entschloss mich das letzte Drittel später nochmals zu holen. Jetzt hatte ich keine Power mehr. Ich öffnete das Flugloch und würde später noch Futterteig drauflegen, falls das Volk geruhte, die Beute anzunehmen.

Ausgeruht besuchte ich als erstes die Beute und siehe da, man flog gesittet ein und aus. Dann bemühte ich mich zum Birnbaum und dort war zu meiner grossen Überraschung kein einziges Bienchen mehr anzutreffen. Sie hatten die Duftspur wahrgenommen, die ich mit meinem zweifachen Lauf, samt Schwarm im Eimer, zur Beute zurückgelegt hatte. Der Gitterkorb machte es möglich. Vermutlich wurde er auch von Verfolgerbienen begleitet, sodass alle den Weg zur Wiedervereinigung gefunden haben. Wie erleichtert und froh stimmte es mich! Die Einlogierung war schlussendlich erfolgreich gelungen.

Eine Woche später fand ich mich wieder beim Volk ein und es hatte sich bestens installiert. Auf die Brutkontrolle habe ich noch verzichtet, die erfolgt abermals eine Woche später.

Da sie nun mit neuer Brut loslegen müssen, kann ich mir dieses Jahr jegliche Varroabehandlung schenken.

Merke: Ein Herbstschwarm handelt aus Not und verlangt einen neuen Ort zum Neubeginn. Früher hatte ich schon einmal so ein Problemvolk, da ich aber keine neue Beute noch einen anderen Platz zur Verfügung hatte, war er mir nach zweimaligem Einlogieren doch davongeflogen.